Wie viel Kontrolle ist ok?
Wie viel Kontrolle ist ok?

Ein verstohlener Blick auf den Handybildschirm des anderen, wenn schon wieder eine Nachricht eintrudelt. Das schlechte Gewissen, wenn man vergisst, Bescheid zu geben, dass man länger wegbleibt als geplant. Den eigenen Standort teilen. Ein gewisses Mass an Kontrolle gibt es in fast jeder Beziehung. Solange diese auf Gegenseitigkeit beruht, freiwillig geschieht und beiden ein sicheres Gefühl gibt, ist das auch ok.
Problematisch wird es, wenn eine Seite diese Kontrolle nicht mehr als Sicherheit, sondern als Druck und Einschränkung empfindet.
Auch ständige Kontrolle ist Gewalt
Übertrieben eifersüchtiges Verhalten, Besitzansprüche und das ständige Bestehen darauf, zu wissen, wo man ist, was man tut und wen man trifft: Das ist eine Form von psychischer Gewalt [1-4].
Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt in Paarbeziehungen [3, 4]. Aber auch im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz, an Schulen und im Internet kommt sie vor – unter anderem dann, wenn Menschen beleidigt, eingeschüchtert, erniedrigt oder bedroht werden.
Wenn daraus ein Muster wird
In Paarbeziehungen kann aus kontrollierenden Verhaltensweisen mit der Zeit ein problematisches Muster aus Dominanz und Kontrolle entstehen. Dieses Verhaltensmuster schafft Abhängigkeiten, schränkt ein und macht Angst.
In diesem Klima von Aggressivität, Misstrauen und Kontrolle ist das Risiko hoch, dass die dominierende Person mit der Zeit auch körperliche und/oder sexualisierte Gewalt anwendet. Auch nach dem Ende einer Beziehung hört dieses Verhalten oft nicht auf. Betroffene leiden oftmals unter weitreichenden gesundheitlichen Folgen. [1, 2, 5-7]
Wo verläuft die Grenze?
Ein gewisses Mass an gegenseitiger Aufmerksamkeit und Fürsorge ist normal. Problematisch wird es, wenn aus Fürsorglichkeit und Interesse dauerhafte, einseitige Kontrolle wird.
Um zwischen Liebe und schädlicher Kontrolle zu unterscheiden, sind zwei Fragen entscheidend:
- Kann jemand Entscheidungen eigenständig treffen – also ohne den Partner oder die Partnerin?
- Kann die Person auch Nein sagen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben?
Ernsthafte Warnsignale sind, wenn der Partner oder die Partnerin:
- Menschen, die der anderen Person wichtig sind, schlechtmacht
- Die andere Person daran hindert, Familie, Freundinnen und Freunde zu treffen
- Immer wissen will, wo die andere Person ist
- Erwartet, dass man um Erlaubnis bittet, wenn man das Haus verlässt
- Äusserst eifersüchtig ist und die andere Person grundlos beschuldigt, untreu zu sein
- Der anderen Person vorschreiben will, was sie anziehen darf
- Das Handy der anderen Person überwacht oder die Aktivitäten in den sozialen Medien ständig hinterfragt
- Allein bestimmt, wofür das gemeinsame oder das eigene Geld ausgegeben wird
- Droht oder wütend wird, wenn die andere Person sich widersetzt
- Droht, sich oder anderen etwas anzutun, wenn man die Beziehung beendet
Was kannst du tun?
Für Personen, die von Gewalt betroffen sind, für Personen, die Gewalt mitbekommen, und für Personen, die selbst schon Grenzen verletzt und Gewalt ausgeübt haben, gibt es zahlreiche Hilfs- und Beratungsangebote.
Quellen
[1] EBG: Informationsblatt A1: Definitionen, Formen und Folgen häuslicher Gewalt. Link
[2] EBG: Informationsblatt A2: Ursachen, Risiko- und Schutzfaktoren von Gewalt in Paarbeziehungen. Link
[3] FRA – European Union Agency for fundamental Rights, EIGE – European Institute for Gender Equality, & Eurostat. (2024). EU gender-based violence survey: Key results. Experiences of women in the 27 EU Member States. Luxembourg: Publications Office of the European Union. Link
[4] Frieda – Die feministische Friedensorganisation. (2023). 16 Tage gegen Gewalt an Frauen. Fokus 2023: Stopp psychische Gewalt. Faktenblatt. Link
[5] WHO – World Health Organization. (2025, 25 March). Violence Against Women (Fact sheet). Link
[6] Stark, E., & Hester, M. (2019). Coercive Control: Update and Review. Violence Against Women, 25(1), 81-104. Link
[7] SKP – Schweizerische Kriminalprävention (2024). Zuhause im Unglück. Warum häusliche Gewalt keine Privatsache ist. Link



