Warum Gleichstellung vor Gewalt schützt

Wenn sich Menschen über andere stellen, steigt das Risiko für Gewalt. Gleichstellung schützt Betroffene – und kann verhindern, dass Gewalt überhaupt entsteht.
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Kurz und knapp:

  • Machtungleichheit erhöht das Gewaltrisiko
  • Frauen, LGBTIQ-Personen, Menschen mit Behinderungen und Personen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte sind stärker gefährdet
  • Gleichstellung schützt, weil sie Abhängigkeiten verringert, diskriminierende Normen abbaut und den respektvollen Umgang stärkt

Wo beginnt Gewalt?

Geschlechtsbezogene, sexualisierte und häusliche Gewalt beginnt selten mit Schlägen. Sie passiert mit Worten und Gesten und gehört zum Alltag vieler Menschen – in der Öffentlichkeit und im privaten Umfeld.

Wie sich Gewalt im Alltag zeigt:

  • Sexistische Sprüche
  • Aufdringliche Blicke
  • Abwertende Kommentare über Aussehen, Fähigkeiten, Intelligenz
  • Ständige Kontrollanrufe durch den Partner, die Partnerin

Solche Momente mögen harmlos wirken. Sie sind aber Ausdruck von fehlendem Respekt, diskriminierenden Vorstellungen und ungleichen Machtverhältnissen [1-7, 9, 11]. Und sie bereiten möglicherweise den Weg für schwerere Übergriffe.

Gewalt kann alle treffen – aber nicht alle gleich

Gewalt kommt in allen sozialen Schichten vor. Menschen überschreiten Grenzen in Paarbeziehungen, in der Familie, am Arbeitsplatz, in Schulen, Pflegeheimen, im Internet und im öffentlichen Raum. Oft werden die Vorfälle jedoch nicht gemeldet und bleiben unsichtbar.

Auch wenn Gewalt grundsätzlich jede und jeden treffen kann, sind bestimmte Personengruppen deutlich stärker gefährdet:

  • Fast jede vierte Frau hat in ihrem Leben schon häusliche Gewalt erlebt [8]
  • Jede vierte LGBTIQ-Person war in den letzten fünf Jahren mindestens einmal körperlichen oder sexuellen Übergriffen ausgesetzt [9]
  • Frauen mit Behinderungen, migrierte und geflüchtete Frauen sowie Frauen of Color haben ein erhöhtes Risiko für sexualisierte und häusliche Gewalt [5, 10-12]
  • Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf sind besonders verletzlich gegenüber Gewalterfahrungen [13]

Machtungleichheit als Risiko und Nährboden für Gewalt

Die Verantwortung für Gewalt liegt immer bei der Person, die sie ausübt – denn sie entscheidet über ihr Verhalten. Verschiedene Faktoren können dabei eine Rolle spielen: Stress, Überforderung, eigene Gewalterfahrung, Alkohol- und Drogenkonsum. In der Paarbeziehung ist auch von Bedeutung, wie häufig es Streit gibt und wie Konflikte bewältigt werden. Ein entscheidender Faktor ist jedoch die Ungleichverteilung von Macht.

Machtungleichheit wirkt sich auf zwei Arten auf Gewaltsituationen aus:

  • Erstens: Sie erhöht das Gewaltrisiko und erschwert es Betroffenen, sich zu wehren. Überall dort, wo Menschen von anderen abhängig sind – emotional, finanziell, aufgrund gemeinsamer Kinder oder rechtlicher Unsicherheit –, sind sie besonders verletzlich. Und es ist für sie schwieriger, sich gegen Gewalt zu wehren oder sich zu schützen. Häufig haben sie Angst vor negativen Konsequenzen: die Kündigung zu erhalten, die Aufenthaltsberechtigung zu verlieren, die Kinder nicht mehr zu sehen oder noch schlimmere Gewalt zu erleiden. Und sie befürchten, dass ihre Stimme weniger zählt, dass ihnen nicht geglaubt wird.
  • Zweitens: Gewalt wird nicht als solche erkannt und nicht ernst genommen. Geschlechtsspezifische, sexualisierte und häusliche Gewalt gedeiht in einem gesellschaftlichen Umfeld, das wegschaut, verharmlost oder toleriert [1-5] – gerade bei Formen von Gewalt, die nicht so sichtbar sind wie blaue Flecken. Typische Sätze sind zum Beispiel: «Das ist doch normal in einer Beziehung», «Du übertreibst wieder» oder «So sind Männer eben». Manchmal wissen Betroffene selbst nicht sofort, dass das, was sie erleben, Gewalt ist – und nicht ok ist.

Gleichstellung wirkt

Wenn Menschen gleiche Rechte, Chancen und Handlungsmöglichkeiten haben, werden Machtungleichgewichte, diskriminierende Normen und Abhängigkeiten reduziert. Das hilft, Gewalt zu verhindern und Betroffene zu stärken.

Gleichstellung im Alltag zu leben, kann Gewalt also entgegenwirken. Dazu gehört, anderen Menschen auf Augenhöhe und mit Respekt zu begegnen. Aber auch Gewalt jeglicher Art zu erkennen und nicht wegzuschauen, wenn jemand abgewertet, beleidigt, belästigt oder bedroht wird [10]. Zudem gilt es, Betroffene konsequent ernst zu nehmen und zu unterstützen.

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Was kannst du tun?

Für Personen, die von Gewalt betroffen sind, für Personen, die Gewalt mitbekommen, und für Personen, die selbst schon Grenzen verletzt und Gewalt ausgeübt haben, gibt es zahlreiche Hilfs- und Beratungsangebote.

Quellen

[1] Jewkes, R., Flood, M., & Lang, J. (2015). From work with men and boys to changes of social norms and reduction of inequities in gender relations: A conceptual shift in prevention of Violence Against Women and girls. The Lancet, 385(9977), 1580-1589. Link

[2] EBG: Informationsblatt A2: Ursachen, Risiko- und Schutzfaktoren von Gewalt in Paarbeziehungen. Link

[3] WHO – World Health Organization. (2009). Promoting gender equality to prevent violence against women. Briefing on violence prevention: the evidence. Link

[4] Council of Europe (2019). What causes gender-based violence? In: Gender Matters: A Manual on Addressing Gender-Based Violence Affecting Young People (Second edition, fully revised and updated), S. 21-31. Link

[5] Lavoyer, A. (2024). Jede Frau. Über eine Gesellschaft, die sexualisierte Gewalt verharmlost und normalisiert. München: Yes Publishing. Link

[6] WHO – World Health Organization. (2025, 25 March). Violence against women (Fact sheet). Link

[7] EIGE – European Institute for Gender Equality (Hrsg.). (2025). Gender Equality Index 2024: Tackling violence against women, tackling gender inequalities. Luxembourg: Publications Office. Link

[8] Baier, D., Biberstein, L., & Markwalder, N. (2023). Betroffenheit von Gewalt in Partnerschaften. Ausmass und Entwicklung in der Schweiz. Ergebnisse von Repräsentativbefragungen. Bern: Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG. Link

[9] Jans, C., Schäfer, S., Keiser, L., & Bohn, D. (2024). Hintergründe und Prävalenz von Queerfeindlichkeit in der Schweiz. Studie zur Betroffenheit von queerfeindlicher Gewalt und Diskriminierung sowie der Wahrnehmung von LGBTIQ+ in der Bevölkerung. Bern: gfs.Bern. Link

[10] FRA – European Union Agency for fundamental Rights, EIGE – European Institute for Gender Equality, & Eurostat. (2024). EU gender-based violence survey: Key results. Experiences of women in the 27 EU Member States. Luxembourg: Publications Office of the European Union. Link

[11] García-Cuéllar, M. M., Pastor-Moreno, G., Ruiz-Pérez, I., & Henares-Montiel, J. (2023). The prevalence of intimate partner violence against women with disabilities: A systematic review of the literature. Disability and Rehabilitation, 45(1), 1-8. Link

[12] EBG: Informationsblatt B5: Häusliche Gewalt im Migrationskontext. Link

[13] Jäggi, J., Höglinger, D., & Jud, A. (2025). Psychische Gesundheit im sozialen Kontext. In: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium Obsan (Hrsg.), Nationaler Gesundheitsbericht 2025. Link